Sie sind nicht vergessen

Sie sind nicht vergessen

Auch das musste vor rund 40 Jahren erduldet, ertragen und verschwiegen werden. Am 5. Mai 1945 holten aus dem Lager Sandbostel befreite alliierte Kriegsgefangene, vermutlich Franzosen, vier Augustendorfer Bürger aus ihren Wohnungen. Stellten sie zunächst englischen Offizieren vor und trieben sie dann in Richtung Lager Sandbostel. Außerhalb des Dorfes wurden der Lehrer Peter Basteln, 43 Jahre alt, Vater von drei Kindern sowie der Tischler Hinrich Geestmann, 47 Jahre, Vater eines gefallenen Sohnes und einer Tochter sowie der Landwirt Johann Schütt, 41 Jahre alt und ebenfalls Vater von 3 Kindern, hinterrücks erschossen und auf der Stelle verscharrt. Nur der Landwirt Hinrich Brodtmann konnte lebend entkommen. Niemand hat erfahren, wessen man die vier beschuldigte oder was man ihnen vorwarf. Wenn auch nicht auszuschließen ist, dass sie in den Augen der gepeinigten Menschen des Lagers Sandbostel doch eine Schuld auf sich geladen hatten, so gab es für sie weder Anklage noch Verteidigung, weder Gericht noch Urteil und das, obwohl die Waffen bereits schwiegen. Die Augustendorfer waren und sind überzeugt, dass ihre drei Mitbürger, alle hoch geachtete Männer, unschuldig sterben mussten. Möglicherweise war es ihre einzige Schuld, dass sie in der Nähe eines Lagers wohnten, in dem Entsetzliches geschah. Vielleicht werden Kritiker einwenden, was sind schon drei Deutsche gegen die Tausende, die in der Kriegsgräberstätte Sandbostel ruhen. Doch auch diese drei hatten nur das eine Leben, das ihnen genommen wurde und die zu Waisen gewordenen Kinder nur den einen Vater und die drei Frauen nur den einen Mann. Wenn man es heute schon zu einem Skandal hochstilisieren möchte, dass der gefallenen deutschen Soldaten gedacht wird, dann muss es wenigstens erlaubt sein, ermordeter Zivilisten zu gedenken. Wirkliche und aufrichtige Trauer sortiert die Toten nicht in Gute und Böse, in Freund und Feind, in eigene Landsleute und Ausländer. Der Majestät des Todes müssen sich alle unterwerfen und vor ihr sollte jeder Hader und Streit verstummen. Wer wirklich Scham, Trauer, Demut und Friedenssehnsucht im Herzen trägt, der kann nicht die Gräber der einen beklagen und die der anderen mit Dreck besudeln. Auch darüber nachzudenken lohnt sich am 40. Jahrestag des Kriegsendes.

Rudolf von Tils

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