Erinnerungen von Lehrer Hans-Jürgen Fabian
Augustendorf, du liebe kleine,
auch alt geword’ne Moorgemeinde,
in der ich vor fast 50 Jahren
die Lehrerweihen hab’ erfahren.
Du hast Geburtstag, und zum Fest
mich Du sogar heut’ laden lässt!
Ich danke dir und wünsche Glück
und denke gern an Dich zurück.
Ich bringe keine Festgeschenke,
doch sag’ ich, dass ich an Dich denke.
An Deine Menschen, liebes Dorf,
an Deine Birken und den Torf.
Ich höre den Kanal noch plätschern,
die Stimmen von den Brüdern Metscher(n),
die damals aus Amerika
zu zweit bei Hinni Metscher da.
Ich seh’ sie auf der Straße schreiten,
Zigarrenrauch tat sie begleiten.
Und beim Gespräch mit jedermann
boten sie Zigarren an.
Ich seh’ die Feuerwehr beim Übungsspritzen
und deren Chef mit den Schnauzbartspitzen,
der wie ein Korporal aus dem Napoleon-Krieg
gewichtig auf den Wagen stieg,
der einen Erhängten nach Gnarrenburg brachte,
was den Herrn Haltermann so amtlich machte.
Zu erzählen ist noch, dass die Leiche sehr stank,
darum beim Transport man manch’ Schnäpschen trank.
Dann sehe ich eine weitere Amtsperson,
Hinni Grotheer, den Postillion,
der nachts vor unserem Fenster rief:
„Ein Junge ist geboren!“, während ich schlief.
Es gab im Dorf nur zwei Telefone, beim
Bürgermeister und beim Postillione.
Und kam ein Anruf vom Krankenhaus,
dann musste auch nachts der Herr Grotheer heraus.
Ich sehe den Kollegen, Fritz Siebert marschieren,
nach Mittagsschlaf den Hund Flocki ausführen.
Vielleicht entfloh er auch nur dem Gedränge,
denn im Schulhaus herrschte noch Nachkriegsenge.
Herr Mallasch mit seiner Frau,
der wohnte gleich links, und genau
daneben die Sieberts mit Tochter Renate
und oben Gerda, die Hinni und zwei Kinder hatte.
Dann wohnten dort Wiskandts damals zu dritt
und im letzten Zimmer machten wir dann noch mit.
Drei Stufen hoch ein Treppchen führte,
vom Kanonenofen man Wärme spürte.
Ein Bett passte nur ins Zimmer rein
und trotzdem, die Zeit schien uns fein.
Jung, wie wir waren, genügte ein Bett,
ein Dach übern Kopf, so war man komplett.
Später dann, als ein Kind geboren,
haben wir doch den Spaß an der Wohnung verloren.
Nur braunes Wasser, von unten zu holen.
Genau so die Feuerung, Briketts und die Kohlen.
Zwar gab es am Schulhaus auch’ ne Zisterne,
aus der wir das helle Wasser genossen recht gerne.
Jedoch nach einer Zisternenreinigung
gab es bei mir und Ilse die Einigung:
Nie wieder das helle Wasser zu trinken,
denn wir sahen im Fallrohr Knochen blinken.
Durch eine Vogelleiche, vermutlich ein Star,
floss alles Wasser und so wurde es klar.
Von da an hieß es: Nase zu halten!
Und runter mit dem braunen Wasser, dem kalten.
Das hat uns „Stadtlüüd“ nicht geschadet,
auch nicht, das wir im Moorsee gebadet.
Augustendorf in den Fünfzigern war Landleben pur!
Für uns war es damals schon historische Tour!
Wir brauchten nicht Moorhof, nicht Heimathaus.
Die Häuser hier sahen fast alle so aus.
Doch Schornsteine hatten sie, bis auf eins.
Das war bei Hilken, die hatten noch kei(nen)s.
Die Adele war damals beängstigend schlank!
Ich sah sie vor Jahren. Sie gedieh, Gott sei Dank!
Es gab natürlich auch kein WC
im Schulhaus selbst. Doch in der Näh’,
50 Meter über’n Schulhof, da fand man sie,
für ca. 7 Personen die Plumpsbatterie!
Die Auswahl war reichlich. Das menschliche Rühren,
das konnte man hier gemeinsam verspüren!
Manche herrliche Mondscheinnacht
haben wir dort Tür an Tür verbracht.
Und war Besuch da, ein Freund aus Bremen,
dann konnte der das 3. Klo nehmen.
Ja, es war eine herrliche Zeit,
runtergelassene Hosen, geschürztes Kleid.
So saßen wir über Emailletrichtern
und guckten durch Herz nach den Sternenlichtern.
Glück für mich, das die Prostata
damals noch nicht so wie heute war!
Augustendorf, ganz ohne Frage,
bist schön du bis zum heutigen Tage!
Nur mit der Versorgung, denke ich,
klappt’s nicht wir früher sicherlich:
Quer übern Schulhof, hoch auf’s Moor,
dann stand man vor dem Dielentor
von Wilhelm Otten. Linkerhand
der Kaufladen sich im Haus befand.
Und Oma Otten holte aus Gläsern und Kästen
die Sahnebonbons, 2 Pfennig, die Besten!
Mit Mehl und Zucker in Tüten gefüllt
wurden die meisten Wünsche der Hausfrau gestillt.
Und welcher Luxus! Der Läden gab’s zwei,
ein mobiler war damals auch schon dabei!
Nämlich Hinni Otten mit Pferd und Wagen.
Heute noch hören wir ihn manchmal noch fragen
immer mit den gleich Worten:
„Wat gefällig?“ hier vororten.
Mancher, der so alt wie ich,
wir wohl dran erinnern sich!
Heute sieht’s ganz anders aus.
Alle fahr’n zur Großstadt raus.
Einkauf ist meist unpersönlich,
nichts sieht mehr den Ottens ähnlich.
Auch was Urlaub war, ist sehr verändert.
Reisen gehen in ferne Länder.
Oft nimmt Kredit man dann,
damit man schick verreisen kann.
So was hat es im Leben
von Hermann Otten nie gegeben.
Der fertigte außerhalb seiner Torfgräberzeit
beste Heuharken und Stiele weit und breit.
Kam dann der Frühling ins Augustendorfer Land,
er seine Produkte zusammenband
und schulterte sie und trug sie weg.
Verkaufstour mit Urlaub, das war der Zweck!
Und oft vergingen, nachdem er aufgebrochen,
bei so einer Tour wohl bis zu zwei Wochen.
Gut erholt sah er dann meistens nicht aus
und Ärger gab’s auch mit den Seinen im Haus.
Die Urlaubsbasis der Schüler war auch immer schmal:
Bei Wärme das Baden vorm Haus im Kanal.
Im Winter das Glitschen da auf dem Eis,
wovon ich noch eine kleine Story weiß.
Es hatte gefroren, das Eis war nicht dick,
doch hielt nichts die großen Schüler zurück
zu testen, ob das Eis wohl hielte
und ob man mit einem Auge zu den Mutigen schielte.
Hermann Alpers, der auf dem Eise stand,
hielt noch zwei Jungen an der Hand.
Und stolz schrie er gerade: „Drei upp’n Hümpel!“
Da kracht’s und die drei war’n bis zum Bauch drin im Tümpel.
Ich erinnere mich an Schützenfeste
mit Vogelstechen für Kinder, das war das Beste.
Und an den Schützenball, wo man im Großen und Ganzen
tat mutig die Löcher im Fußboden umtanzen.
Da gab es auch Rennen mit Seifenkisten,
wobei wir den Abrollbügel gar nicht vermissten.
Man schob dann die Kisten mit Fahrer und wie …………!
Das einzige, was schmerzte: Blutige Knie!
Den Saal, den ich nun wieder sehe,
war baurechtlich damals nicht auf der Höhe.
Doch Handwerker gab es im Dorfe zur Mitten:
Thobaben, den Maurer, und den Herrn van der Pütten,
den Tischler, der änderte auf modern uns die Betten
aus ererbten Bestand wie wir sie gern hätten.
Und einen Tisch baute er mit „Resopal“,
der heute noch lebt (im Keller zumal).
Dann gab es (und gibt es) die Zimmerein Katt,
die für uns damals die Holzreste hat’,
mit denen man heizte. Öl gab es nicht.
Und ich war damals schon ein geiziger Wicht.
War es kalt, der Ofen aus,
dann gingen wir einfach zu Zühlkes raus.
Dort war es warm, und nett war’n die auch,
so wurde das zum Gewohnheitsbrauch.
Man war schon bescheiden. Das Geld war auch knapp.
Wir bekamen 250.- DM als Gehalt damals ab.
Und die Auszahlung kam Monate verspätet,
da waren wir beide gewaltig geknetet!
Für uns war ein Glück, dass Bürgermeister Garms
bei der Volksbank ein Wort einlegte, und dann kam’s!
Zunächst als Kredit, dann überwiesen,
und schnell waren wir raus aus den Zahlen den miesen!
Da fällte mir noch eines ein von den ernsten Dingen,
die mir doch sehr an die Nieren rangingen:
In Augustendorf war es die Sitte,
das man den Lehrer beim Trauerfall bitte.
Er spricht die Worte am Sarg im Haus
und sucht die Gesänge für die Feier aus.
Das dies so war, hatte ich am Rande gehört.
Es hatte mich eigentlich wenig gestört.
Denn 1956, da machte das noch der Herr Siebert, der Erste.
Ich ließ ihm das gern, es war doch das Schwerste.
Und ich war jung! Mit 25 Jahren
hat man doch selber kaum Trauer erfahren!
Jedoch eines Abends zum Winter dann
standen schwarz gekleidet vor der Tür da zwei Mann
und sagten: „Opa is bleben!“
Und Herr Siebert, der hätte das abgegeben.
Ich hatte nichts gewusst und geahnt!
Der Kollege mich niemals vorgewarnt.
Und zusätzlich wurde mir noch bekannt,
der Tote starb von eigener Hand.
Ihr könnt euch wohl denken, wie es mir da war,
doch hab ich’s gemacht und weiß heute klar:
Das war für mich Gottes Fügung.
Ich kam nun häufig mit Trauer und Leid in Berührung.
Als dann der Tod auch uns hart berührte,
ich durch das Erfahrene viel Hilfe verspürte.
Es ist dem Menschen gut zu wissen,
auch er wird einmal sterben müssen.
Doch wie es im Leben auch geht,
jetzt noch ein Mobilität:
Bei Geestmanns am Anfang vom Ort,
da fuhr man M12, den Taunus von Ford.
Der Milchfahrer Geffken Isabella fuhr,
wenn er zurück von der Milchsammeltour.
Aus dem Nachbarort Langenhausen,
sah man mit Käfer Kowalewski ranbrausen.
Auf Zündapp kneterte nach Gestenseth
der Uli Zühlke mit seiner Gret(e).
Das Hinterrad war überhaupt nicht gefedert,
da war man im wahrsten Sinne gerädert.
Wir fuhren nach einem Jahre dann
schon BMW, mein lieber Mann!
Zwar nur ’ne Isetta, doch ihr versteht,
für Augustendorf ein Schlaglochsuchgerät!
Fahren wir heute nach Augustendorf rein,
spürt man kaum Wellen und kann sich recht freun,
das man nicht durchs Autodach fliegt
oder sich Knochen und Achse verbiegt.
Das mag an der Technik des Autos liegen,
insgesamt wird wohl die Moderne siegen.
Die Pumpsklos sind auch hier nicht mehr da,
das Wasser aus Rohren fließt duftlos und klar.
Es bleiben die Menschen, die Birken, der Torf,
mit einem Wort: AUGUSTENDORF!
Und dieses Dorf lebt Kontinuität,
insbesondere, weil ihm immer noch ein Metscher vorsteht.
Wir grüßen euch alle, die Röpkes und Katts,
die Bungers, die Grotheers, die Riggers am Platz,
die Schlüters, die Sprenglers und Nietfelds ganz breit,
auch Ahrens, Brodtmanns und Willuweit…….
die Scheibels und Schröders und Ahrensfeld
und wer sich sonst noch zu Augustendorf stellt.
Gott erhalte Euch Eure Heimat mit Birken und Torf. Er schütze das schöne Augustendorf!
Anmerkung: (fm) Hans-Jürgen Fabian unterrichtete von 1956 bis 1960 die „kleine Klasse“ (Schulj. 1 - 4), es war seine erste Schulstelle. Obwohl sehr konsequent und (-wenn es sein musste) durchaus streng, war Lehrer Fabian war bei den damaligen „Kids“ sehr beliebt. Hans-Jürgen Fabian war mit seiner Frau beim Festkommersabend am 15. August 2003 anlässlich der 175-Feier Augustendorfs als Ehrengast geladen. Für seinen Vortrag „Erinnerungen an die Augustendorfer Zeit“ erntete er viel Beifall. Weil „Fabians Verse“ des Öfteren nachgefragt wurden, haben wir uns erlaubt, das Gedicht im Internet auf der Augustendorfer Website zu veröffentlichen. Die Augustendorfer wünschen Hans-Jürgen und Ilse Fabian „Alles Gute“, vor allen Dingen gute Gesundheit für die nächsten Jahre.